Ich bin gerade im Urlaub und habe etwas mehr Zeit Blogbeiträge und Zeitungsartikel zu lesen, die Freunde teilen oder verfasst haben. In den letzten Wochen hat mich immer mehr überrascht was ich da so lese oder welche kontroversen Positionen meine Freunde und Bekannte zu dem Thema Flüchtlinge, Diversität und Rassismus in Deutschland übernehmen. Insbesondere weil ich eigentlich dachte ich hätte in Sachen Politik, Moral und Weltanschauung eine sehr homogene Gruppe von Bekannten. Was für mich jetzt im Urlaub aber mein internes Fass an Ruhe und Besonnenheit zu dem Thema zum Überlaufen gebracht hat waren zwei Geschehnisse, die ich hier kurz wiedergeben möchte.
Da ist zum einen ein alter Schulfreund, den ich nebenbei sehr schätze und bewundere was er in seiner Berufssparte schon so alles erreicht hat, der sich stark dafür einsetzt, dass Deutsche denen man ihre Wurzeln aufgrund Ihrer Hautfarbe oder des Namens ansieht die gleichen Chancen bekommen wie Deutsche die eine helle Hautfarbe und einen Nachnamen wie z.B. Müller haben. Er selber hat Vorfahren aus Indien und ist echter Rheinländer. Jetzt lese ich vorgestern eine Konversation zwischen ihm und einem anderen Rheinländer, der wenn ich es richtig verstanden habe ebenfalls einen indischen Pass hat und auch eine dunkle Hautfarbe hat. Dieser Zweite ist aber offensichtlich engagiert in der AfD und der Meinung, dass Rassismus in Deutschland ein Jammern auf hohem Niveau ist und das es gilt das Positive was es im freien Deutschland gilt zu verteidigen. Er ist anscheinend der Meinung, dass die AfD dafür die richtige Partei ist. Ihr könnt euch denken wohin die Konversation gesteuert ist und welche Fronten sich da gebildet haben. Es vielen Worte wie „du bist doch nur der Vorzeige-Ausländer für die AfD“ sowie „dafür, dass du als Deutscher mit Migrationshintergrund so diskriminiert wirst, hast du es aber weit geschafft in Deutschland“.
Die zweite Geschichte wo es dann endgültig gereicht hat ist, als ich gestern einen Post über eine PEGIDA-Kundgebung gelesen habe wo sich die sächsische Polizei anscheinend diese Kundgebung verteidigt hat und sich mutmaßlich unkorrekt verhalten hat. Da hat ein von mir ebenso geschätzter Freund sinngemäß geschrieben: „Die Polizei wird zum Verlängerten Arm der PEGIDA-Bewegung“. Sag mal geht es noch, diejenigen die dafür da sind die beiden Fronten friedlich auseinander zu halten und dabei teilweise sogar ihr Leben riskieren sind jetzt die Bösen? (Und ja es gibt auch bestimmt bei der Polizei schwarze Schafe!)
Ich könnte noch zahlreiche andere Dinge aufzählen wie Freunde die „angeekelt“ von den Deutschen Wutbürgen sind oder andere Bekannte die offensichtlich immer nur Artikel über Vergewaltigungen oder Straftaten von Flüchtlingen finden und teilen, aber wenn auf Flüchtlinge geschossen wird einfach überlesen bzw. als nicht mitteilungswürdig empfinden. Was mich allerdings an diesen zwei Meinungslagern am meisten schockiert ist, dass die Diskussion dahingehend geführt wird, dass man entweder zum einen oder zum anderen Lager gehören muss. Es bilden sich zwei richtige Fronten und auch die Wortwahl klingt auf beiden Seiten kriegerisch. Jeder der mich kennt weiß, dass ich ein sehr weltoffener und toleranter Mensch bin und alle unterstütze die sich für eine diverse und friedliche Gesellschaft einsetzen. Aus meiner Sicht wird aber ein großer Fehler gemacht, wenn die Menschen, die offensichtlich Ängste und Sorgen haben im heutigen Deutschland (oder wir können auch gleich Europa sagen) nicht ernst genommen werden oder noch schlimmer von Oben herab so getan wird als ob sie halt einfach zu doof wären um die Welt „richtig“ zu sehen. Meiner Meinung nach hat genau das dazu geführt, dass noch mehr Menschen Parteien wie die AfD wählen und die Umfragen auch weiterhin nicht fallen. Erstens ist es einfach nicht klein zu reden, dass in Teilen von Deutschland über 20 Prozent AfD wählen, und ich mag einfach nicht glauben, dass das alles Rechtsradikale sind (denn dann würde ich schon längst nicht mehr in Deutschland leben) und zweitens ist auch die ganze Negativkampagne gegen die Wähler/Wutbürger/Pegida/AfDler oder wie auch immer sie in den Medien genannt werden, Werbung FÜR die AfD. Wenn Fronten aufgebaut werden muss sich halt entschieden werden, wenn man nicht zwischen die Fronten geraten möchte!
Ich möchte an dieser Stelle gar nicht debattieren ob wir gegen Rassismus auf die Straße gehen müssen und jede Form von Antisemitismus oder sonstiger Anfeindung von Minderheiten nicht tolerieren sollten. Natürlich ist das so! Aber bitte fangt doch auch einmal an die Leute ernst zu nehmen, die Angst haben, die Gründe suchen für ihre schlechte Situation in Deutschland, die sich abgehängt fühlen und die die generell sich unwohl mit Veränderungen fühlen.
Mein hoffentlich konstruktiver Vorschlag ist: FINDET DEN KONSENS und macht einseitige Darstellungen sichtbar. Wenn einer euer Freunde/Bekannte in den Sozialen Medien ständig postet, dass es wieder mal einen Vorfall einer Vergewaltigung durch einen Asylanwärter gab, dann schreibt als Kommentar sowas wie: „Oh mein Gott. Wie schrecklich! Das liest man ja jetzt wieder öfters, gerade erst habe ich gelesen wie ein deutscher Geistlicher sich ebenfalls an Jungen vergangen hat (hier ist der Link zum Nachlesen). Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam uns dafür einsetzen, dass niemand so etwas einem Kind oder Frau in Deutschland antuen darf!“.
Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist, denn es ist eine schwierige Gratwanderung Verständnis zu zeigen für solche Kommentare bzw. Posts ohne dabei den Eindruck zu vermitteln, dass man auch einverstanden wäre. Daher ist es wichtig auch immer wieder klar zu stellen was die eigene Meinung ist! Aber bitte geht doch auf die Leute zu und schreibt ihnen nicht oder noch schlimmer über sie, dass sie euch „anekeln“, dass sie nur der „Quotenausländer“ sind oder dass sie „rechtsradikale Schweine“ wären. Damit treibt ihr sie nur immer weiter in die Arme der Leute, die wirklich rechtsradikal sind und diese Menschen instrumentalisieren, um unsere schöne, diverse und offene Gesellschaft wieder zu beschneiden.
– fabscriptor –
Mir gefällt dieser Blog-Eintrag von dir sehr gut. Er hat mich dazu angeregt, über meine eigene Ansichten, mein eigenes Verhalten und mögliche „Lösungen“ nachzudenken.
Dabei ist mir eingefallen, dass ich mal in einem Podcast gehört habe, dass häufig gar keine Diskussion aus einer verbalen Konfrontation entsteht, sondern beide Seiten damit beschäftigt sind, ihre Argumentation kund zu tun.
Dadurch dringt man also nie zu einer richtigen Diskussion und Konsens-Bildung durch. Mit Verständnis wird eher erreicht, dass sich die Gegenseite verstanden sieht und sich für andere Ansichten öffnet.
Dabei gilt für beide Seiten: Augen auf bei den sogenannten Fakten. Der „confirmation bias“ (meine beste Übersetzung: Gefahr der verstärkten Bestätigung der eigenen Meinung) treibt uns üblicherweise vom Konsens weg.
Du kannst das nicht? Die Gegenseite ist starsinning, engstirnig und manipuliert? Dann frage dich doch bitte, wie kannst du erreichen, dass die Gegenseite dich versteht, auf dich zugeht und vielleicht sogar deinen Standpunkt einnimmt, wenn du selbst nicht dazu bereit bist?
Ist das gefährlich? Kann sein. Aber wenn dein Geist und dein Herz nicht offen sind, hörst du nur dein eigenes Echo. Und wer ist dann wirklich starsinning, engstirnig und manipuliert? Öffne dein Herz und höre, was es dir sagt.
Lasst uns dem Gegenüber zuhören und auf die Gegenübers eingehen statt nur auf diese einzureden. Nur so erreichen wir, dass die Vernunft am Ende die Oberhand gewinnt und nicht unser Land zerreißt und uns auseinander treibt.